Kitzbühels Weg zur Tennis-Hochburg

Schon Ende des 19. Jahrhunderts wurde dem kleinen weißen Ball nachgejagt Seit Jahrzehnten Treffpunkt der Tennis-Weltklasse

Von Alexander Rußegger

Kitzbühel rückt zweimal im Jahr in den Mittelpunkt des Sportgeschehens:
Im Winter ist es das Hahnenkamm-Skirennen, im Sommer das Generali-
Open-Tennisturnier. Beide Sportarten entwickelten sich parallel ab dem
Ende des 19. Jahrhunderts. Die ersten Skispuren zog der Kitzbüheler Franz
Reisch, die ersten Tennisbälle schlugen Adelige und betuchte Prominente.
Dokumentiert ist das Anlegen eines Tennisplatzes in dem vor der Stadt
liegenden Kräutergarten, den der Gemeinderat in einer Sitzung vom 6. Juli
1899 genehmigt hat.
Schriftlich überliefert ist die Ausschreibung für das „I. Kitzbüheler Lawn-
Tennis-Turnier“, welches am Freitag, 20. August 1902 begann.
Ausgetragen wurden Einzel- und Doppelbewerbe für Damen und Herren –
mit und ohne Vorgaben (vergleichbar mit Handicap im Golf). Teilnehmer
waren ausschließlich Adelige oder Persönlichkeiten des öffentlichen
Lebens.
In den 1930er-Jahren sind die Plätze unterhalb von Schloss Kaps
entstanden, wo heute die Tennisspieler ihrem Hobby und die Tennisprofis
in Turnierform ihrem Beruf nachgehen.
Zum Jahr 1945: Der Kitzbüheler Walter Föger, Sohn des Platzwarts Franz
Föger, wollte mit bzw. gegen amerikanische Besatzungssoldaten Tennis
spielen. Wegen des Fraternisierungsverbots (Begegnung der
Armeeangehörigen mit der Bevölkerung) kam er auf die Idee, ein
internationales Turnier zu gründen. Sein Vater Franz richtete die Plätze
her, seine Mutter häkelte die Netze, seine Schwester fuhr nach Salzburg,
um Tennisbälle zu organisieren.
Die Bemühungen von Walter Föger waren erfolgreich: Vom 7. bis 9.
September 1945 fand der erste „Alpenländerpokal“, so von Föger genannt,
statt. Als Sieger im Herren-Einzel ging der US-Soldat John Dennis hervor,
das Damen-Einzel sicherte sich Trude Wolf aus Wien, das Herren-Doppel
der Turnierorganisator Walter Föger mit dem Salzburger Michael von
Stachowitsch. Hinter der Organisation stand zu dieser Zeit der
Eishockeyclub (KEC) – deshalb, weil die Plätze im Winter dem
Eishockey- und im Sommer dem Tennissport dienten.
Im Jahre 1955 trennten sich die Tennis- von den Eishockeyspielern und
gründeten mit dem Kitzbüheler Tennis-Club (KTC ) einen eigenen Verein.
Erster Obmann wurde der Kirchberger Hans Zwerger. Der Verein
organisierte abgesehen vom Jahr 1953 (ausgefallen) durchgehend bis 2009
das Tennisturnier. Seither ist eine GmbH für die Durchführung
verantwortlich.
Nicht zuletzt der Ruf Kitzbühels und die rasch bekannt gewordene gute
Organisation lockte die absolute Weltelite in die Hahnenkammstadt. So
sind in der Siegerliste unter anderem das heimische Aushängeschild Fred
Huber sowie Stars wie Rod Laver und Roy Emerson (AUS), Jaroslav
Drobny (EGY), Budge Patty (USA), Ladislav Legenstein (AUT), Christian
Kuhnke und Wilhelm Bungert (beide GER), um nur einige zu nennen.
Ohne gewinnen zu können waren Björn Borg, Ivan Lendl oder Arthur
Ashe dabei. Ab den 1970er-Jahren dominierten die spanischen und
argentinischen Sandplatzspezialisten das Geschehen.
Bis 1993 spielten die Damen mit, prominente Siegerinnen waren Evonne
Goolagong (AUS) und Billie Jean King (USA). Anneliese Schuh-Proxauf
und Hilde Doleschell (beide AUT) schafften das besondere Kunststück,
sich sogar Siege beim Hahnenkammrennen zu sichern.
In den Anfangsjahren kamen mit Ljubomir Czaikovski, Milan Petrivoc,
Fred Huber auch Sieger aus Österreich. Nach dem Wechsel zum
Profiturnier schafften nur noch Thomas Muster (1993) und Dominic Thiem
(2019) rot-weiß-rote Erfolge.
Das Turnier war bis 1970 für Amateure ausgeschrieben, wobei anstelle der
heute üblichen Antrittsgelder damals Spesen bezahlt wurden. Nach der
Gründung der ATP, der Vereinigung der Tennisprofis, konnte mit dem
Ski- und Tennishersteller Head ein Sponsor gefunden werden. Der bei der
Premiere mit 25.000 US-Dollar dotierte „Head-Cup“ war weltweit eines
der ersten Turniere, welches einen Sponsornamen trug.
Der Head-Cup erlebte 23 Auflagen, das erste Generali Open fand 1994
statt. Die Ära endete 2010, ab 2015 bis dato heißt es wieder Generali Open.
Dazwischen war die Konkurrenz zweitklassig und trug die Namen
Interwetten- und danach Bet-at-home-Cup.
Die Geschichte des Turniers ist untrennbar mit zwei Namen verbunden:
Hellmuth Dieter Küchenmeister und Ion Tiriac. Küchenmeister fungierte
von 1954 bis 2005 als Turnierdirektor, Tiriac sorgte für das Antreten
namhafter Spieler. Die Freundschaft der beiden entstand 1964, als Tiriac
als Mitglied der rumänischen Eishockey-Nationalmannschaft zu einem
Vorbereitungsspiel für die Olympischen Spiele in Innsbruck nach
Kitzbühel kam. Bei einem anschließenden Abendessen kamen die beiden
zufällig nebeneinander zu sitzen. Tiriac, zu dieser Zeit auch einer der
besten Tennisspieler Rumäniens, wurde von den Kitzbühelern zu den
Turnieren eingeladen. Zu dieser Zeit stand er finanziell auf schwachen
Beinen und musste aus der Turnierkasse unterstützt werden. Heute gilt er
als Milliardär als einer der reichsten Rumänen.
Der Text stellt eine kurze Zusammenfassung eines Buches dar, die den
Tennissport in Kitzbühel in vier Kapiteln (Geschichte, Menschen,
Turniergeschichte, Statistik) darstellt. Die 620 Seiten umfassende
Publikation wird im Laufe des Sommers 2024 erscheinen.